Beitrag von Torsten Eßer, 04.08.2002, mit
freundlicher Genehmigung von Telepolis
In Ekuador wird von der Firma OCP Ltd. (oleoducto de crudos
pesados) eine Erdölleitung aus dem Amazonasgebiet bis zum
Verladehafen Esmeraldas gebaut. Finanziert wird diese
Pipeline von einem internationalen Konsortium, zu dem auch
die Westdeutsche Landesbank (West LB) aus Düsseldorf gehört.
Umweltschützer, die die erstellten Umweltgutachten
anzweifeln, kämpfen gegen einen Weiterbau auf der geplanten
Strecke. Viele Ekuadorianer stehen dem Projekt aber auch
wohlwollend gegenüber. In Mindo, einem der sensibelsten
Abschnitte des Pipelinebaus, moderierte Torsten Eßer für
Matices ein Gespräch zwischen Tourismusunternehmer Alfredo
Egas, der für den baldigen Weiterbau plädiert, und Hugolino
Oņate, einem ortsansässigen Fremdenführer, der gegen das
OCP-Projekt kämpft.
In welchem Bauabschnitt befindet sich die
OCP-Pipeline momentan?
Hugolino Oņate: Momentan (im Mai 2002, Anm. d. Red.)
haben sie die Arbeiten an der Pipeline gestoppt. Den Wald
von Mindo haben sie noch nicht zerstört. Aber in den
kommenden Wochen werden sie die Arbeiten wieder aufnehmen,
trotz aller Versuche unsererseits, die Umweltzerstörung zu
verhindern.
Warum sind Sie gegen das Projekt?
Hugolino Oņate: Wir sind aus verschiedenen Gründen gegen
die Pipeline. Erstens nimmt sie uns in Mindo die Grundlage
für den Ökotourismus, den wir hier über Jahre aufgebaut
haben und weiterentwickeln wollen. Die Pipeline führt durch
ein geschütztes Gebiet, in dem es viele seltene Vogel- und
Pflanzenarten gibt, von denen einige vom Aussterben bedroht
sind. Das berührt uns besonders, weil Mindo für seinen
Ökotourismus bekannt ist. Zweitens bedrohen die Bauarbeiten
den Rio Mindo. Er wird stark verschmutzt werden und auch das
tubing (Rafting auf LKW-Schläuchen, Anm. d. Red.) ist
bedroht, von dem hier viele Leute leben.
Was spricht für den Bau der Pipeline?
Alfredo Egas: Der Hauptgrund ist, dass die Ausbeutung der
natürlichen Ressourcen Ekuadors dem ganzen Land zugute
kommt. Ich verstehe nicht, warum viele gegen das Projekt
sind, denn die Zerstörungen sind viel geringer als gesagt
wird. Die Holzfäller zerstören viel mehr Wald als die
Pipeline. OCP arbeitet mit neuester Technologie, so dass die
Fehler früherer Konstruktionen sich nicht wiederholen
werden. Ich bin auch ein Naturfreund und kein Verteidiger
einer transnationalen Firma, aber ich möchte das Land voran
bringen und gleichzeitig verstehen, warum sich viele Leute
gegen ein Projekt stellen, das gar nicht so große Schäden
verursacht.
Weshalb sind Sie als Naturfreund gegen den
Widerstand der Naturschützer?
Alfredo Egas: Was mich an den Umweltaktivisten stört,
ist, dass sie nur Aktivisten für den Moment sind. Seit
fünfzig Jahren werden die Wälder hier durch Holzeinschlag
vernichtet, man sieht Holzstapel an jeder Ecke liegen. Auch
durch die Viehzucht werden weite Gebiete zerstört und durch
einige touristische Anlagen wie z.B. die Hacienda "Mindo
Gardens". Wieso also formieren sich die Umweltfreunde erst
jetzt und nicht schon vorher?
Hugolino Oņate: Wir sind nicht erst jetzt gegen die
Zerstörung des Waldes. Vor rund 15 Jahren hat Mindo einen
Wechsel erfahren. Sicher haben die Leute in Mindo bis dahin
von der Jagd und dem Holzeinschlag gelebt und einige tun das
auch heute noch, aber seither hat sich viel geändert. Heute
leben rund 70 Prozent der Einwohner direkt oder indirekt vom
Ökotourimus. Nicht jeder hier hat eine ökologische
Einstellung, aber es werden immer mehr. Bei der OCP-Pipeline
ist es außerdem zu vielen Fehlplanungen gekommen. Es gab zum
Beispiel Konstruktionspläne für eine Strecke, die entlang
der schon vorhandenen SOTE-Pipeline verlaufen sollte und die
zweimal billiger war. Nach unserer Meinung sind die
erforderlichen Umweltverträglichkeitsstudien gar nicht bzw.
nicht mit der nötigen Sorgfalt und Zeit durchgeführt worden.
Der Ökotourismus ist unsere Lebensbasis, wir müssen das
verteidigen, auch schon wegen der kommenden Generationen.
Außerdem haben wir so ein Bewußtsein für den Schutz der
Umwelt geschaffen, das weit über Mindo hinausgeht. Die
Arten, die in unserem Wald leben, müssen gerettet werden.
Mit jeder verlorenen Art verschwinden viele weitere.
Woher kam der Bewusstseinswandel in Mindo?
Hugolino Oņate: Etwa 1986 siedelten sich zwei Deutsche in
Mindo an. Sie öffneten einer Gruppe von Leuten die Augen
dafür, dass es wichtig ist, den Wald zu erhalten und die
Region zu einem Schutzgebiet zu erklären. Sie weckten das
Interesse für die Erhaltung unserer Natur.
Alfredo Egas: Was tun Sie denn gegen den sonstigen
Raubbau der Natur hier in Mindo? Manchmal habe ich den
Eindruck, das die Umweltschützer nur Geschäfte machen
wollen. Warum sind einige der heftigsten Gegner der
Pipeline, die vor Monaten jeden Tag in der Presse waren, nun
so ruhig und nicht mehr gegen das Projekt? Haben sie Geld
von der OCP bekommen?
Hugolino Oņate: Ein Grund, warum wir so stark gegen die
Pipeline kämpfen ist, dass sie uns auch noch großen Schaden
zufügen kann, wenn sie fertig gebaut ist. Sie verläuft durch
ein erdbebengefährdetes Gebiet auf Bergrücken mit 300 Meter
tiefen Steilhängen. Schon die Bewegung des Erdreiches auf
diesen schmalen Graten, um die Röhren zu vergraben, wird das
Ökosystem schwer schädigen und der Erosion Tür und Tor
öffnen. Und am in der Nähe liegenden Vulkan Pichincha gibt
es im Winter immer wieder starke Hangrutsche. Die Millionen
Liter Öl, die durch die Leitung gepumpt werden, stellen also
eine ständige Bedrohung für uns und die Umwelt dar. Wir
haben die Techniker von OCP, die selten genug hier
vorbeikommen, gefragt, wie sie diese Umweltschäden vermeiden
bzw. was sie im Falle einer Katastrophe tun wollen. Meistens
wußten sie keine Antwort. Sie konnten noch nicht einmal
genau sagen, mit welcher Ausrüstung sie die Pipeline hier
bauen wollen. Sie haben uns zwar Videos von den Maschinen
gezeigt, konnten aber nicht sagen, ob diese auch hier zum
Einsatz kommen. Das zeigt doch, dass für den Fall einer
Katastrophe nichts geplant ist. Und wenn Öl einmal
versickert ist, sind der Urwaldboden und unser Grundwasser
kaum noch zu retten. Auch in den Reihen der Umweltschützer
gibt es natürlich Leute, die egoistisch sind und letztlich
ihre ökonomischen Interessen über die ökologischen gestellt
haben. Sie haben Grundstücke nur aus dem Grund gekauft, weil
die OCP dafür Summen gezahlt hat, die sie nie im Leben
hätten mit Arbeit verdienen können. Aber so wurden auch
viele Leute "besiegt", die anfänglich nicht so gedacht
haben.
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