Die Entdeckung von Curare
Während der Entdeckungsreise von CHRISTOPH KOLUMBUS nach
Amerika starben Mannschaftsmitglieder nach scheinbar
harmlosen Verletzungen durch Indianer-Pfeile. Als man diese
Pfeile genauer untersuchte, entdeckte man, dass ihre Spitze
mit einer braunen Masse bestrichen war. Sehr bald wurde
klar, dass es sich dabei um eine aus Pflanzen hergestellte
Substanz handelte, die beim Eindringen ins Blut tödlich
wirkt. Obwohl viele Entdeckungsforscher die Regenwälder
Südamerikas bereisten, wurde die entsprechende Pflanze,
Strychnos toxifera, erst 1841 wissenschaftlich beschrieben.
Für die Curare-Herstellung sollen nach alten Berichten nur
alte Frauen zuständig gewesen sein. Angeblich sperrte man
sie in Hütten ein, in denen sie den Pflanzensud einige Tage
kochten, bis die Flüssigkeit eingedickt und zum Bestreichen
von Pfeilen brauchbar war. Falls die Frauen halb tot auf dem
Boden lagen, wenn man dann die Türen öffnete, galt das Gift
als wirksam. Fand man dagegen die Frauen munter vor, wurden
sie streng bestraft und das offensichtlich unbrauchbare Gift
weggeworfen. Ein Reisegefährte von KOLUMBUS berichtete 1535,
dass die Pfeile aus einem schmalen rohrartigen Holz
gefertigt waren. An der Spitze des Holzes war häufig ein
scharfer Fischzahn befestigt, der mit einer braunen
Flüssigkeit bestrichen war.
ABBÉ FELIX FONTANA (1720-1805) stellte 1780 an Versuchen mit
Kaninchen fest, dass Curare die willkürliche Muskulatur nur
dann lähmt, wenn es intravenös verabreicht wird und dass die
Herzmuskulatur von Curare überhaupt nicht beeinträchtigt
wird. Diese Beobachtungen wurden einige Jahre später durch
ALEXANDER VON HUMBOLDT während seiner Südamerika-Reise durch
Versuche an Fröschen bestätigt. Durch den Arzt C. BERNARD
(1813-1887) wurde die Natur der Wirkung der Curare-Gifte aus
Strychnos und Chondrodendron endgültig enträtselt. Seine
Experimente an Fröschen führten zu der Erkenntnis, dass
Curare auf die Übertragung der Impulse zwischen den
motorischen Nerven und Muskeln wirkt.
Seit den 1930er Jahren interessierten sich Orthopäden für
Curare zur Behandlung von spastischen Kontrakturen. Etwas
später wurde Curare auch als muskelentspannendes Mittel für
die Narkose empfohlen, wobei aber künstliche Beatmung nötig
war. Es war ein Meilenstein in der modernen Anästhesie und
Chirurgie, als man für eine Blinddarmoperation am 23. Januar
1942 einem jungen Mann ein auf Curare basierendes Medikament
intravenös injizierte, worauf die Bauchmuskulatur
erschlaffte und der Chirurg unter ausgezeichneten
Bedingungen operieren konnte. Seitdem werden
muskelentspannende Mittel bei fast jeder Operation
verwendet. Curare verlor zugunsten nebenwirkungsarmer
synthetischer Mittel bald an Bedeutung. |